Der Achensee begrüßt uns mit Regen und 12°C. Ein Hoch auf den Tiroler Hochsommer. Wir sind im ersten Training des Tages dran, schlüpfen also schon um 07:30 aus dem Bett. Ich blicke mit müden Augen über mein Marillenjoghurt, bestimmt von der Tiroler Bergkuh, zu meinem putzmunteren Steuermann. Der steht normalerweise um fünf Uhr dreißig auf und versteht mein Problem mit der Uhrzeit nicht. Ich schaue aus dem Fenster und beobachte den Regen auf irgendeinen Berg fallen. Ich sehne mich nach Horizont.
"Die erste Wettfahrt wird Arbeit", denke ich. BYC, SCM, UYCAS, UYCWg, UYCWs und wir. Der Vorjahresmeister, der Vor-Vorjahresmeister mit eingekauftem deutschen Steuermann und der UYCAS, dessen gute Segelbundesligaleistung für mich ohnehin unerträglich ist. "Am besten, wir suchen uns gleich beim Start einen von denen aus und bringen ihn um - für den Spirit", meine ich. Angelika schweigt. Jakob schaut auf sein Handy. "Ja passt.", stimmt mir Xandy skeptisch zu. Ob wir uns gegen diese starke Gruppe behaupten können?Wenig später treiben wir eingepackt in Ölzeug und Haube am verregneten Achensee. Eine Minute dreißig vor dem Start. Drehender Wind mit 7kts. Wir fahren mit dem Gennaker Vorwind hinunter auf die Startschiffseite der Linie. Wir sind öfter mal etwas spät dran und bedienen uns dann des dritten Segels. Ich entscheide mich für einen Start rechts. Xandy ist ausgeschlafen, top motiviert und angriffslustig. Wir wenden vor die Wolfgangseer etwas über dem Anlieger zum Startschiff. Diese Position führt bei uns öfter zu Diskussionen. Xandy & Jakob sind sich einig, dass man etwas über dem Anlieger zum Startschiff am besten aufgehoben ist, weil die Lücke in Lee "geht schon auf". Ich möchte lieber am Anlieger sein, so dass wir sehr hart am Wind direkt zum Schiff kommen. Egal, jetzt beschweren bringt nichts. Ich zähle die Sekunden runter und schaue auf unsere Lücke im Lee. Eine gesunde halbe Bootslänge Abstand zum BYC und UYCAs. Wenn die nicht bald abfallen, kommen wir nicht hin. "Zehn, Neun, Acht". Der UYCAs luvt nochmal an, Xandy zieht mit nach oben. "Kein Platz!", denke ich. "Fünf, vier". Der UYCAS muss abfallen, um selbst zu beschleunigen. "Drei!". Die Lücke zwischen Startschiff und UYCAS geht auf. Wir haben einen Knoten mehr Geschwindigkeit als unsere Gegner im Lee, rasen auf das Startschiff zu.
"Zwei, Eins, Full Hike!". Wir fahren. Und wie. Den BYC können wir direkt überlaufen. Nachdem der wendet, hauen wir uns direkt drauf - für den Spirit. Wir verwalten die Führung routiniert von Start bis Ziel und sind von unseren eigenen Fähigkeiten überrascht.
Leider verläuft nicht jede Wettfahrt so lupenrein. Wir sind - wieder mal - beim Einfahren vor dem Start zu weit weggekreuzt. Wenn der Wind abflaut schauen wir dann blöd. Wir sind also bei einer Minute dreißig immer noch zehn Bootslängen in luv über dem Startschiff. "Gennaker setzen?". "Na das geht scho". "Na gut". 45 Sekunden. 5 Bootslängen entfernt. Bei dieser Wettfahrt war der Start zwischen zwei Bojen, das Startschiff stand rechts neben der rechten Starttonne. Zwischen Schiff und Tonne sollte man nicht passieren. Aber hinten herum ums Startschiff, dann zur Tonne - das wird sich nicht ausgehen. Xandy schaltet um auf Schadensbegrenzung. Er ändert Kurs auf die Mitte der Linie. Jakob dreht sich entsetzt um. Xandy möchte statt das Startschiff zu runden direkt von oben hinter die Linie tauchen. Das ist ganz nach meinem Geschmack. Frech und gute Unterhaltung. Ich flüstere bestärkend Worte ins rechte Ohr meines Steuermanns. Jakob kann's immer noch nicht glauben. Bei fünf Sekunden sind wir da und das Geschrei unserer Gegner auch. Wir kommen ohne Penalty davon. Ich bin stolz.
Der Wind ist wirklich fürchterlich an Tag drei. Man fährt Vorwind auf der Kreuz, wendet ohne zu steuern und trotzdem wurde eher zaghaft abgeschossen. Das Resultat sind - bei fast allen Teams - sehr unkonstante Ergebnisse.
Wir fahren zweimal auf den fünften Platz. Danach ist die Stimmung an Land angespannt, aber produktiv. Wir diskutieren über Anlieger beim Start, wie viel Vorwarnung der Steuermann bei Wenden zu geben hat, die “jetzt aber wirklich sofort notwendig sind”, und Ähnliches. Kurz muss sich unser Geschwisterpaar sogar absondern und das Thema mit den Wenden ohne genügend Vorwarnung unter vier Augen aufarbeiten.
© SBL
Es kommt aber anders als erwartet. Wir starten bei ruhigen 6kts Wind zwar wie geplant links, aber leider ohne Wendefreiheit. Links versumpern wir etwas, und kommen oben an dritter Stelle an. Angelika sieht den nächsten magischen Druck links nach der Tonne und wir halsen als erster hin. Damit sind wir zweiter an der Leetonne und nach einer irre drehenden Kreuz direkt hinter den Tirolern die mit Überhöhe zur Luvtonne kommen. Es ist brutaler Rechtswind: "Jibe Set!". Der Wind dreht noch weitere 15° nach rechts und bläst mit 15 Knoten. Das ist keine Vorwind mehr, sondern Halbwind ins Ziel. Xandy luvt an, alle sitzen auf der Kante. Ich lasse den Gennaker vorne umklappen. Wir haben zu viel Druck. Angelika schaut hinter sich und sieht beeindruckende weißen Schaumkronen auf uns zukommen. Eine 25 Knoten Böe und wir fahren spitze Raume. Toll. Mit dem dritten Segel schaffen wir es nie ins Ziel. "Gennaker runter!", schreit sie mit ungewohntem Nachdruck. Alles gehorcht. Xandy und ich sitzen nebeneinander und schauen Angelika und Jakob beim Packen zu. Die beiden plagen sich sichtlich. "Das Fall geht nicht auf!". "Jetzt reiß an!", "Es geht nicht!". Das Gennakertuch füllt sich mit Wind und bläst bis zu Xandy und mir am hinteren Teil des Bootes. Ein Blick zurück: Puh! Den anderen geht es noch schlechter. Der Spi wird endlich gebändigt und wir beenden eine für die sonstigen Windverhältnisse dieses Tages repräsentative, absolut irre Wettfahrt auf Rang Eins.
Am Ende sind wir wieder insgesamt fünfter mit nur zwei Punkten Abstand auf den Zweiten. Eigentlich wäre da ein Stockerl möglich gewesen. Schade. Wir freuen uns auf das Abschlussevent am Wolfgangsee.
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